Wien – Oft sind es Dinge, die nicht gesagt werden, die am meisten Aufschluss über eine Strategie geben. So war es am Mittwoch bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien. Drei Schwerpunkte sehe er in seiner Arbeit: Beschäftigung schaffen; das Land auf die Zukunft vorbereiten, also in Bildung investieren; schließlich gelte es die Innovationskraft des Wirtschaftsstandorts zu stärken.

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Mit keinem Wort erwähnte der Kanzler eine der zentralen Forderungen, die in den vergangenen Jahren immer wieder von der SPÖ erhoben wurden: Die Rede ist von der Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer. Unzählige SP-Politiker haben ihre Wahlkämpfe mit Slogans für eine "gerechtere" Vermögensverteilung bestritten – so etwa Kerns Vorgänger Werner Faymann. Warum kommt das Thema bei Kern nicht mehr vor – hält er es nicht für mehrheitsfähig, für überholt?

Steuerquote soll sinken

Die Regierung bekennt sich dazu, die Steuerquote in Österreich zu senken. Diese Quote, also die Summe der bezahlten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Prozent der Wirtschaftsleistung, ist in Österreich bereits eine der höchsten in der EU.

Grafik: DER STANDARD

Doch es wären ja Modelle denkbar, in denen die Abgabenquote nicht steigt, selbst wenn neue Steuern eingeführt werden. So könnten die Steuern auf den Faktor Arbeit sinken. Die Kosten dafür könnte der Staat aus zusätzlichen Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern finanzieren. Für solche Reformen plädieren internationale Organisationen wie die OECD seit Jahren. Die Einnahmen aus Vermögenssteuern sind in kaum einem OECD-Staat so niedrig wie in Österreich.

Kern blieb bei dem Thema am Mittwoch auf Nachfrage zögerlich. Eine "strukturelle" Steuerreform sei weiter sein Ziel, so der Kanzler. Kern verwies auf seinen "Plan A". Dort wird die Forderung nach Einführung einer Erbschafts- und Vermögenssteuer "ab einer Million Euro" erhoben. Im Vergleich zu anderen Themen spielt die Frage eine untergeordnete Rolle. Auf drei der 144 Seiten im "Plan A" werden vermögensbezogene Steuern erwähnt.

Bis zur Wahl aussichtslos

"Wir haben mit der ÖVP in dieser Frage seit zehn Jahren nichts zuwege gebracht", so Kern. Die Chance, daran etwas in den verbleibenden Monaten bis zu den Wahlen im Herbst 2018 zu ändern, erachte er für wenig realistisch. Deshalb forciere er diese Debatte derzeit nicht in der Regierung. Das alles ist kein offizielles Begräbnis für das einstige Lieblingsthema der SPÖ. Doch Enthusiasmus klingt anders.

Aber was kann das Markenzeichen der Sozialdemokratie sein, wenn man in Migrationsfragen ähnlich argumentiert wie die ÖVP und das Thema soziale Gerechtigkeit nicht mehr aufs Tapet bringt, wird Kern gefragt.

Hier widersprach er entschieden: In vielen Regierungsprojekten spiele die Schaffung sozialer Gerechtigkeit eine zentrale Rolle. Doch dies werde von Medien oft nicht dargestellt, weil die Projekte komplex sind und nicht in eine kurze Meldung passen. Kerns Beispiel: Derzeit bringen SPÖ und ÖVP eine Neuregelung der Privatinsolvenz auf die Bahn. Dabei wurde die Dauer, in denen das Einkommen eines Betroffenen zugunsten seiner Gläubiger auf das Existenzminimum abgeschöpft werden kann, von sieben auf drei Jahre verkürzt. Damit werde verhindert, dass Menschen gezwungen werden, "ein Leben lang" Schulden abzuzahlen, so Kern.

Frauen sollen profitieren

Von der Maßnahme würden vor allem Frauen profitieren, weil sie viermal häufiger von Privatkonkursen betroffen sind als Männer.

Der Kanzler verwies auf noch ein Projekt: Die Regierung will ja 20.000 Stellen für Menschen über 50 schaffen, die keine Arbeit finden. Eine halbe Milliarde Euro soll das kosten, die Menschen sollen bei Gemeinden, in Schulen tätig werden, auch der Bund könnte Leute aufnehmen. Auch diese Maßnahme helfe vor allem sozial Schlechtergestellten, insbesondere Frauen, so der Kanzler. 35 Prozent der Frauen gehen aus der Arbeitslosigkeit in Pension. (szi, 6.4.2017)